32.2 – Beistandschaften und Vormundschaften

Seitennavigation

Aufgaben und Schwerpunkte

Aufgabengebiet der gesetzlichen Vertretung für Kinder und Jugendliche

Die gesetzliche Vertretung von Kindern und Jugendlichen ist ein zentrales Aufgabenfeld der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe. Sie umfasst unter anderem die Unterstützung bei der Feststellung der Vaterschaft nicht verheirateter Elternteile sowie die Klärung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen. Darüber hinaus zählt auch die Wahrnehmung des elterlichen Sorgerechtsentweder vollständig im Rahmen einer Vormundschaft oder in Teilbereichen im Rahmen einer Pflegschaft – zu den Kernaufgaben.

Mit Inkrafttreten der Vormundschafts- und Betreuungsrechtsreform zum 1. Januar 2023 wurde die gesetzliche Vertretung bundesweit neu strukturiert:
Vormünder und Beistände übernehmen nun klar abgegrenzte, jeweils eigenständige Aufgabengebiete. Vormünder sind für die umfassende rechtliche und persönliche Sorge des Kindes verantwortlich, während Beistände auf die gezielte rechtliche Unterstützung – insbesondere bei Vaterschaftsfragen und Unterhaltsansprüchen – spezialisiert sind.

Diese Trennung der Aufgabenbereiche wurde in der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe des Lahn-Dill-Kreises konsequent umgesetzt.
Die organisatorische und fachliche Neuausrichtung ermöglicht eine stärkere Spezialisierung und eine passgenauere Betreuung der Kinder, Jugendlichen und Familien. Ziel ist es, die Qualität der gesetzlichen Vertretung weiter zu verbessern und den individuellen Bedürfnissen der jungen Menschen noch gerechter zu werden.

Beistandschaften & Vormundschaften – Lahn-Dill-Kreis

Vormundschaften und Pflegschaften

Vormundschaften und Pflegschaften werden durch das Familiengericht eingerichtet, wenn Eltern ihre elterliche Verantwortung aus unterschiedlichen Gründen nicht wahrnehmen können. In diesen Fällen übernimmt die Abteilung Kinder- und Jugendhilfe des Kreisausschusses des Lahn-Dill-Kreises die gesetzliche Vertretung des betroffenen Kindes oder Jugendlichen als Vormund oder Pfleger.

Vormundschaft
Die Vormundschaft umfasst die vollständige elterliche Sorge – sowohl die Personen- als auch die Vermögenssorge. Es wird unterschieden zwischen:

  • Gesetzlichen Vormundschaften, beispielsweise bei minderjährigen Müttern oder im Rahmen einer Adoptionspflege,

  • Bestellten Vormundschaften, die durch das Familiengericht angeordnet werden, wenn Eltern das Sorgerecht nicht (mehr) ausüben können oder es entzogen wurde.

Pflegschaft
Im Gegensatz dazu bezieht sich die Pflegschaft nur auf einzelne Bereiche der elterlichen Sorge. Dies kann beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, schulische Belange, die Vermögenssorge oder die Gesundheitsfürsorge betreffen. Auch eine Pflegschaft bedarf stets einer gerichtlichen Anordnung.

Die Tätigkeit als gesetzliche Vertretung orientiert sich an den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie an den Regelungen des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII). Von zentraler Bedeutung sind insbesondere:

  • § 1 SGB VIII: Das Recht auf Förderung der Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit,

  • § 8 SGB VIII: Die Beteiligung junger Menschen an sie betreffenden Entscheidungen,

  • § 9 SGB VIII: Die Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse sowie geschlechtsspezifischer Lebenslagen.

Nach § 1800 BGB ist der Vormund verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und sicherzustellen. Diese Verantwortung beinhaltet eine persönliche Beziehung und regelmäßige Kontaktpflege zum Kind oder Jugendlichen.

Die Übernahme einer Vormundschaft oder Pflegschaft durch die Abteilung Kinder- und Jugendhilfe bedeutet mehr als die rechtlich-formale Ausübung der elterlichen Sorge. Ein regelmäßiger, persönlicher Kontakt zum Mündel – in der Regel monatlich – ist fester Bestandteil der Tätigkeit. Nur so kann die individuelle Lebenssituation eingeschätzt und bei Bedarf adäquat reagiert werden.

Zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Betreuung sollte eine Amtsvormundin bzw. ein Amtsvormund nicht mehr als 50 Mündel gleichzeitig betreuen. Viele der betreuten Kinder und Jugendlichen leben in Pflegefamilien oder in stationären Einrichtungen der Erziehungs- und Eingliederungshilfe. Der persönliche Einsatz der Fachkräfte trägt entscheidend dazu bei, diesen jungen Menschen Halt, Orientierung und rechtliche Sicherheit zu geben.

Fälle gesetzlicher Vormundschaften nach Art

No Data Found

Unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer (umA)

Im Jahr 2023 stieg die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA), die den Jugendämtern zur weiteren Betreuung zugewiesen wurden, erneut deutlich an. Während zum Jahresende 2022 insgesamt 34 unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) unter Vormundschaft standen, hat sich diese Zahl in den Jahren 2023 und 2024 auf 68 verdoppelt. Dieser Anstieg lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: Zum einen kamen weltweit wieder mehr Menschen aufgrund von Krieg, Verfolgung, Armut und Perspektivlosigkeit nach Europa, darunter auch viele Jugendliche, die ohne Eltern oder sorgeberechtigte Begleitpersonen unterwegs waren. Die Jugendlichen kamen überwiegend  aus Afghanistan, Syrien, Somalia und weiteren Krisenregionen. 

Beratung und Unterstützung

Die Leistung „Beratung und Unterstützung“ wird von den Mitarbeitenden im Bereich der Beistandschaften erbracht und umfasst schwerpunktmäßig Fragen zur Abstammung, elterlichen Sorge sowie zum Kindesunterhalt. Das Angebot richtet sich an alle Elternteile – unabhängig vom Familienstand –, an junge Volljährige bis zum 21. Lebensjahr sowie an weitere berechtigte Personen.

Unmittelbar nach der Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, oder nach einer gerichtlichen Vaterschaftsanfechtung erfolgt eine gezielte Information des betreuenden Elternteils über die bestehenden Beratungsangebote gemäß § 52a SGB VIII. Diese betreffen unter anderem die Klärung von Abstammungsfragen, die Bedeutung und Möglichkeiten der Vaterschaftsfeststellung, die Titulierung von Unterhaltsansprüchen, die Beantragung einer Beistandschaft sowie die Voraussetzungen zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge.

Darüber hinaus bildet die Beratung gemäß § 18 SGB VIII einen eigenständigen Arbeitsauftrag neben der eigentlichen Beistandschaft. Hierzu zählen insbesondere der Unterhaltsanspruch des Kindes, der Anspruch der Mutter sowie der Anspruch junger Volljähriger bis zum 21. Lebensjahr. Auch die Beratung im Vorfeld der Abgabe einer Sorgeerklärung ist Teil dieses Aufgabenspektrums. Ziel der Beratungsleistung ist es, die Selbsthilfekräfte der Ratsuchenden zu stärken und durch gezielte Informationen und Unterstützung eine effektive Realisierung der jeweiligen Ansprüche zu ermöglichen.

Beratung und Unterstützung

No Data Found

Beistandschaften

Beistandschaften sind ein kostenfreies Unterstützungsangebot der Kinder- und Jugendhilfe gemäß §§ 1712 ff. BGB. Sie dienen vorrangig der Feststellung der Vaterschaft sowie der Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen für minderjährige Kinder und Jugendliche.

Eine Beistandschaft kann durch einen Elternteil beim zuständigen Jugendamt beantragt werden, wenn dieser allein sorgeberechtigt ist oder – bei gemeinsamer elterlicher Sorge – das Kind überwiegend betreut. Die Einrichtung ist bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres möglich und kann jederzeit auf Wunsch des antragstellenden Elternteils beendet werden.

Beistandschaften leisten einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Absicherung von Kindern und Jugendlichen. Sie helfen, Unterhaltsansprüche durchzusetzen und so die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen – wie z. B. Unterhaltsvorschuss oder Leistungen des Jobcenters – zu vermeiden. Werden dennoch Sozialleistungen bezogen, können erwirkte Unterhaltszahlungen an die Leistungsträger erstattet werden.

Der Aufgabenbereich umfasst insbesondere:

  • die rechtliche Vertretung des Kindes in Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft und zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen,

  • die Einleitung und Begleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen,

  • sowie die gerichtliche Vertretung des Kindes in zivilrechtlichen Verfahren.

Das Sorgerecht des antragstellenden Elternteils bleibt grundsätzlich unberührt. In gerichtlichen Verfahren jedoch ist ausschließlich der Beistand vertretungsbefugt – eine Vertretung durch Eltern oder andere Dritte ist gesetzlich ausgeschlossen.

Fachliche Verantwortung und Unabhängigkeit

Die mit Beistandschaften betrauten Fachkräfte handeln eigenverantwortlich im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Während bei Vormundschaften und Pflegschaften die Verantwortung gegenüber dem Familiengericht besteht, sind Beistände gegenüber dem sorgeberechtigten Elternteil verantwortlich.

Entscheidungen erfolgen stets unabhängig von behördlicher Einflussnahme und orientieren sich am Kindeswohl sowie an den geltenden gesetzlichen Vorgaben

Beistandschaften

Aufgrund der Vormundschaftsreform und der damit einhergehenden Trennung der Arbeitsbereiche, werden die Beistandschaften gesondert aufgezeigt; siehe Vormundschaftsreform

No Data Found

Beurkundungen

Zu den beurkundungsfähigen Erklärungen zählen unter anderem:

  • Vaterschaftsanerkennungen sowie Zustimmungen der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung,

  • Erklärungen über die gemeinsame elterliche Sorge,

  • Unterhaltsverpflichtungen für minderjährige und volljährige Kinder.

Diese Erklärungen erlangen durch die Beurkundung rechtliche Verbindlichkeit und sind häufig Voraussetzung für gerichtliche oder behördliche Verfahren.

Bedeutung für die rechtliche Absicherung

Durch die Beurkundung wird rechtliche Klarheit geschaffen – insbesondere im Interesse des Kindes. So kann etwa durch eine frühzeitige und formwirksame Vaterschaftsanerkennung der rechtliche Status eines Kindes gesichert und der Zugang zu Unterhaltsleistungen oder Erbansprüchen ermöglicht werden.

Auch Unterhaltsverpflichtungen können durch eine Jugendamtsurkunde ohne Gerichtsverfahren vollstreckt werden, was für alle Beteiligten eine zeitnahe und unbürokratische Lösung darstellt.

Zugänglichkeit und Service

Beurkundungen erfolgen durch hierfür qualifizierte Mitarbeitende des Fachdienstes. Die Inanspruchnahme ist kostenfrei und steht allen Anspruchsberechtigten unabhängig von Einkommen oder Herkunft offen. Termine werden individuell vereinbart und können auch im Zusammenhang mit Beistandschaften, Vormundschaften oder allgemeinen Beratungsanlässen wahrgenommen werden.

Beurkundungen

No Data Found

Ausblick

Weitere Umsetzung der Vormundschaftsreform

Mit Inkrafttreten der Reform des Vormundschaftsrechts zum 1. Januar 2023 wurden bundesweit neue Standards für die gesetzliche Vertretung minderjähriger Kinder und Jugendlicher geschaffen. Im Fokus steht eine qualitativ hochwertige, am Kindeswohl orientierte Ausgestaltung der Vormundschaftdurch klare Zuständigkeiten, erhöhte Anforderungen an die Fachpraxis und die Stärkung ehrenamtlichen Engagements.

Ein zentrales Element der Reform ist die verbindliche Trennung zwischen Vormundschaft und Beistandschaft. Ziel ist es, potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden und die Qualität der gesetzlichen Vertretung zu sichern. Mitarbeitende, die als Vormund oder Pfleger tätig sind, dürfen nicht gleichzeitig Aufgaben der Beistandschaft oder anderer Leistungen nach dem SGB VIII übernehmen.

Diese gesetzliche Vorgabe erforderte eine organisatorische Anpassung auch innerhalb der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe. Ehemalige Mischarbeitsplätze, auf denen bisher beide Aufgaben parallel wahrgenommen wurden, wurden systematisch getrennt. Damit ist die fachliche Zuständigkeit nun eindeutig zugewiesen und entspricht den reformierten rechtlichen Vorgaben.

Ein weiterer Schwerpunkt der Reform ist die Aufwertung des Ehrenamts: Bei der Auswahl von Vormundspersonen sind nun vorrangig geeignete ehrenamtliche Einzelpersonen zu berücksichtigen – erst nachrangig sollen Vereins- oder Amtsvormünder bestellt werden. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen eine verlässliche, konstante und persönlich zugewandte Bezugsperson an die Seite zu stellen.

Diese gesetzliche Neuausrichtung bringt erhöhte Anforderungen an Jugendämter mit sich – insbesondere in den Bereichen Gewinnung, Qualifizierung und Begleitung ehrenamtlich tätiger Vormünder. Ehrenamtliche erhalten künftig Anspruch auf Beratung und Aufwandsentschädigung, um sie in ihrer verantwortungsvollen Aufgabe nachhaltig zu unterstützen.

Die Abteilung Kinder- und Jugendhilfe des Lahn-Dill-Kreises hat vor diesem Hintergrund ein Konzept zur gezielten Akquise, Schulung und fachlichen Begleitung ehrenamtlicher Vormünder entwickelt. Ziel ist der schrittweise Aufbau eines verlässlichen Pools engagierter Einzelpersonen, die langfristig Verantwortung für Kinder in Vormundschaftsverhältnissen übernehmen möchten.

Die erste Umsetzung des Konzepts ist für Anfang 2025 geplant. Damit leistet die Abteilung einen aktiven Beitrag zur Umsetzung der Reformziele – hin zu einer kindgerechten, lebensnahen und nachhaltigen Gestaltung des Vormundschaftswesens.